Wie die Wupper entstand

An einem Sommertag wanderte ein Zwerg über unsere Berge. Er stützte sich mit seiner zarten Hand auf einen Stab. Das Männlein war ausgezogen, um den Menschen zu helfen, denn es waren Hungerjahre im Lande. Es wanderte von Gehöft zu Gehöft und kam zuletzt hoch in das Gebirge hinauf. Nun spürte es aber selbst die Pein des Hungers.
 Da begegnete ihm im Walde ein armes Mütterlein. An ihrem Arm trug sie ein Körbchen mit würzigen Erdbeeren. Sie hatte die Beeren für ihre Kleinen gepflückt. Als sie sah, dass der Zwerg danach gierte, bot sie ihm eine Handvoll der süßen Früchte an. Der Zwerg war erfreut über das gute Herz der Frau und aß die Erdbeeren. Darauf sprach er zu seiner Wohltäterin: „Hast du einen Wunsch, so sprich ihn aus! Er soll gleich in Erfüllung gehen.“
 Die Frau sann ein wenig nach. Da sie kein Verlangen nach Gold und Silber hatte, sprach sie: „Wenn du mir gnädig sein willst, so tu Gutes an meinen Kindern und an diesem rauen Land.“ Darauf befahl ihr das Männlein: „Hol deinen Spaten und grabe an dieser Stelle nach. Im Grunde liegt ein Schatz verborgen, der deinen Kindern und dem ganzen Lande zum Segen werden wird.“
 Das Männlein verschwand. Die Frau tat, wie ihr der Zwerg geraten hatte. Da quoll ein silberheller Wasserstrahl hervor, er sprang lustig über Klippen und Baumwurzeln dahin. Bald erstarkte er zu einem munteren Bächlein. Aus dem Bach wurde ein rauschender Fluß, der in weitem Bogen durch das Land zog. Er erhielt den Namen Wupper.
 Im Tal der Wupper siedelten sich bald viele fleißige Menschen an. Der Fluß half ihnen bei der Arbeit; er trieb Mühlen und Schleifkotten. Dörfer und Städte entstanden an seinen Ufern. Am herrlichsten blühte die Stadt Elberfeld empor, die überall in der weiten Welt bekannt wurde