Über das Leben in einer Hofschaft
(der Versuch eines Betroffenen, dieses Lebensgefühl in Worte zu fassen)

In einer Hofschaft zu leben ist schon etwas besonderes. Mir persönlich war das Glück beschert, in einem solchen Umfeld aufwachsen zu dürfen, was mich (wie ich glaube) bis heute nachhaltig beeinflußt hat. In der Hofschaft, in der ich als Kind lebte, waren fast  alle Nachbarn „Nenn- Onkels und –Tanten“, alle duzten sich gegenseitig und das Verhältnis untereinander kann ich im nachhinein bestenfalls als in gewissem Sinne „intim“ beschreiben, etwa so, als wären alle miteinander verwand. „Tante Frieda“, unsere Vermieterin verstarb eines Tages und das Haus, indem ich aufwuchs, wurde verkauft. Dass wir nun fortziehen mußten, schmerzte mich sehr und ich beschloß bereits als Kind, eines Tages zurückzukehren.
 

Mein Elternhaus in Schaberg, 1960
(ich bin auch drauf, im Kinderwagen ... und hinten rechts hängen meine Windeln...)

Das mit zurück nicht unbedingt dieser Ort gemeint sein mußte, erkannte ich erst fast 20 Jahre später. Als ich 1988 in die Wippe kam, wußte ich sofort: Hier bin ich zu Hause!
Wer hier eines der alten Häuser kauft, ist entweder Individualist oder  besonders naturver-bunden, Handwerker oder Künstler, Idealist, oder wie ich, selbst in einer Hofschaft aufge-wachsen, oder einfach nur ein bißchen verrückt...
Damals gab es hier noch eine relativ hohe Anzahl „Eingeborener“, aber auch eine gesunde Menge „frischen Blutes“, eben diese jungen Individualisten, die sich hierher gewagt hatten, um etwas abseits der breiten Masse ihr eigenes Leben zu führen. Mir begegnete zunächst ein Gemisch aus Skepsis und Neugier, aber auch ein gehöriges Maß an Offenheit gegenüber dem neuen Zuwanderer. Saß ich doch bereits wenige Wochen nach Beginn der Renovierung im Wohnzimmer der zukünftigen Nachbarn, wo wir „schmutzige Lieder zur Laute“ sangen. Des Weiteren stieß ich gleich nach Beginn der Arbeiten auf eine rege Hilfsbereitschaft bei den jüngeren Leuten und auf sehr viel Verständnis und Toleranz (bis zum heutigen Tage) bei den Älteren, die teilweise noch immer unter meiner Renovierung zu leiden haben (Mein besonderer Dank an dieser Stelle gilt Anna und Michel, den am stärksten betroffenen, deren Toleranz und Geduld ihresgleichen sucht...).
Ein ehemaliger Nachbar, der hier in einer WG lebte, beschrieb die Wippe mit folgenden bezeichnenden Worten:
„Diese Hofschaft ist ein Makrokosmos, hier gibt es alles was es anderswo auch gibt, vom wohlhabenden Fabrikanten über leitende Angestellte, Handwerker, Rentner, Arbeiter,  Politiker, sogar zahlreiche Künstler und auch Lebenskünstler, bis hin zu den Menschen, die ohne Strom und Wasser ihr bescheidenes Dasein fristen. Dies alles trifft hier auf engstem Raum zusammen und wird dadurch sehr persönlich.“
 (Danke, Andreas W., du hast damit den Nagel auf den Kopf getroffen...)
Nur eines stört mich wirklich: Hie em Hoff kallt keïn Ferken soliger Platt !!!