Kunigunde und Wirich von Nesselrath

Ritter Wirich von Nesselrath war reich an Gütern und berühmt durch seine Tapferkeit. Seinem Landesherrn, dem Grafen Heinrich von Berg aus dem Limburgischen Hause, stand er allzeit treu zur Seite.

  Mit Stolz blickte seine Gemahlin Kunigunde auf ihn, und kein sehnlicherer Wunsch erfüllte ihr Herz, als der, ihren tapferen Gemahl als Schildträger begleiten zu dürfen. Doch wollte der Ritter von derlei abenteuerlichen Plänen nichts wissen.

  Im Jahre 1246 wurde Ritter Wirich einst von seinem Landesherrn nach Bensberg entboten. An einem heißen Sommermorgen ritt er mit seinen bewaffneten Knechten hin. Da holte ihn unterwegs ein Ritter mit geschlossenem Helme ein und bat um die Gunst, den edlen Ritter unter der Bedingung begleiten zu dürfen, daß er den Helm geschlossen halten dürfe. Das Anerbieten wurde gern angenommen, und der Reitertrupp langte bald am Fuße des Bensberges an. Dort wurde eine kleine Rast gemacht. Ein Zufall aber fügte es, daß der Ritter von Nesselrath seine Gemahlin erkannte, die sich eingefunden hatte, um alle Gefahren ihres Gemahls zu teilen. Auf des Ritters Geheiß mußte sie jedoch heimkehren; doch gab er ihr das Versprechen, ihren Mut auf die Probe zu stellen; würde sie diese bestehen, dann wollte er ihr gestatten, in Zukunft alle Gefahren und Kämpfe mit ihm zu teilen.

  Traurig kehrte Kunigunde mit einigen Knappen ins Schloß Nesselrath zurück. Am nächsten Tage kehrte auch ihr Gemahl heim. Als er nun durch das Thal von Leichlingen ritt und seine Burg im hellen Mondschein vor sich liegen sah, gedachte er seines Versprechens. Er teilte seinem Gefolge mit, daß er einen Scheinangriff auf das Schloß machen wolle, was von diesen mit Freuden begrüßt wurde. Nach kurzer Frist war alles bereit und der Sturm begann. Die Aufforderung, sich zu ergeben, wurde verächtlich zurückgewiesen.

 Nun war dem Ritter aus seiner Kinderzeit ein heimlicher Weg über die Burgmauer bekannt. Auf diesem suchte er, nachdem er seine Rüstung abgelegt hatte, unbemerkt in das Innere der Burg zu gelangen. Seine Knechte führten mittlerweile einen Scheinangriff an der anderen Seite aus. Sein Plan schien zu gelingen, denn er gelangte ins Innere. Mit verstellter Stimme rief er nun, das Schloß sei in Feindes Hand, man möge sich ergeben. Wirklich floh das Burggesinde. Aber die mit einer Rüstung bewehrte Burgfrau drang mit größtem Heldenmut auf den vermeintlichen Räuber ein, welchen sie in der herrschenden Dunkelheit nicht zu erkennen vermochte. Dessen Erklärungen wurden für Räuberlist gehalten, und bald sank er, von dem Schwerte seiner Gattin getroffen, tot zu Boden.

  So hatte sie die Probe bestanden, aber mit dem Leben ihres geliebten Gatten bezahlt. In verzweifelnder Seelenqual vertrauerte die unglückliche Witwe im Kloster zu Gräfrath den Rest ihrer Tage. Weder das Wort des Priesters noch der Trost der Kinder vermochte ihren Schmerz zu stillen.

(aus dem Buch "Bergische Sagen" von Otto Schell)